Aberglaube, alte Sitten und Bräuche in Mülverstedt
Dies ist eine lose Sammlungen aus dem Archiv der Gemeinde Mülverstedt zusammengetragen in den 50/60 Jahren des letzten Jahrhunderts von Herrn Josef Kraus, dem damaligen Chronisten der Gemeinde Mülverstedt.
Verhaltensregeln rund um Säugling, Kinder und Schwangerschaft
Die Schwangere soll währen der Schwangerschaft nicht ins Theater gehen und nur schöne Menschen anschauen, damit Ihr Kind auch recht hübsch wird.
Sie darf sich nicht erschrecken und dabei irgendwelche Körperteile berühren, damit das kind kein Muttermal bekommt.
Insbesondere darf die Mutter kein Schreck vor dem Feuer bekommen, damit das Kind kein Feuermal bekommt.
Leberflecken beim Kind entstehen durch Kneifen und zwicken der werdenden Mutter.
Sog. Mäusefelle entstehen, wenn die Schwangere durch eine Maus erschrickt und Krallen wenn der Mutter ein Huhn in das Gesicht fliegt.
Eine Hasenscharte entsteht, wenn beim Dreschen der Mutter ein Getreidekorn ins Gesicht flog und dabei die Lippe berührte.
Vor großen Schreck muss man die Mutter immer bewahren, sonst bekommt das Kind das "böse Wesen".
Wenn ein Kind viel schreit hat die Mutter während der Schwangerschaft oft geweint.
Naschen und stehlen vererbt sich auf das Kind.
Muss sich die Frau während der Schwangerschaft viel übergeben wird es ein Mädchen.
Säuglinge wurden in den Kinderkorb, Wäschekorb oder die Wiege gelegt und mit soviel Decken wie möglich zugedeckt und in die Nähe des Ofens gelegt. Der Schnuller wurde aus einem Stück Leinen gefertigt und mit Zwieback, Zucker und gekauter Brotrinde gefüllt und dem Kind in den Mund gesteckt. Wollte die Mutter zum Tratsch gehen, wurde der Schnuller auch mal in Schnaps getaucht um das Kind länger und ruhiger schlafen zu lassen.
Ein Getränk aus den Rädchen der Mohnkappe galt als Schlaftrunk für das Kind.
Man darf nie vergessen nach dem Loben des Aussehens des Kindes "Gott behüten" dazu zu sagen.
Bei Nachfrage nach dem Befinden des Kindes darf man nie ja oder nein sagen nur immer "unberufen".
Hebamme bekommt beim ersten Bad des Kindes ein Geldstück ins Badewasser gelegt. Die war damals mindesten ein Taler. Das bringt dem Kind Glück.
Der Taufpate musste der Hebamme nach der Taufe ein gutes Trinkgeld geben.
Weint das Kind während der Taufe, so haben es die Taufpaten nicht gern getan.
Essen die Taufpaten tüchtig so wird das Kind auch ein guter Esser.
Wie viele Taufen im Jahr noch zu erwarten sind, hängt vom Läuten ab. Es kommen noch soviel Kinder wie die Glocke nachbimmelt.
In Mülverstedt war es Sitte, wenn eine Mutter mit dem Thüringer Tragemantel und dem Säugling bei der Nachbarschaft einen Besuch machte, bekam es überall das "Truei" geschenkt, damit es "true" (gedeihe).
Was darf man mit einem Kind im ersten Lebensjahr nicht tun?
Man darf es nicht auf den Friedhof mitnehmen sonst stirbt es.
Auch nicht in den Keller, sonst kommt es ins Gefängnis.
Man darf es nicht aus dem Fenster heraus oder hereinreichen sonst wird es ein Einsteiger.
Spiegelaffen werden die Kinder, wenn man es in einen Spiegel schauen lässt.
Zwei Kinder dürfen sich nicht küssen sonst lernen sie nicht das sprechen.
Die Fingernägel schneidet man nicht ab das würde das Leben kosten.
Fingernägel beißt man ab.
Ebenso werden die Haare nicht abgeschnitten, man schneidet den Verstand ab.
Ein Kind wächst nicht mehr, wenn man über es hinweg schreitet.
Ein Kind darf nicht in den Regen, sonst bekommt es Sommersprossen.
Ein Kind unter einem Jahr darf nicht geschlagen werden, sonst fruchtet nichts.
Die Zähne muss ein Kind erst unten bekommen, nicht oben, sonst wächst es rückwärts d.h. dem Grabe zu.
Kommt man in ein Haus mit einem Kleinkind muss man sich unbedingt setzen, sonst nimmt man dem Kind die Ruhe.
In den ersten 9 Lebenstagen des Kindes darf man nichts aus dem Haus verborgen.
Bräuche rund um die Hochzeit
[Ausschnitt aus der Langensalzaer Zeitung vom 15.Juli 1841 zum Thema Polterabend.]
Am Tag vor der Hochzeit wird der Polterabend gefeiert. Das dies der Obrigkeit nicht immer gefallen hat zeigt der Zeitungsausschnitt der Langensalzer Zeitung vom 14. Juli 1841
Diese Tradition hat sich zum Glück für alle Gäste bis zum heuteigen Tag erhalten.
Kommt ein Brautpaar nach der Trauung aus der Kirche, so wird es unterwegs immer wieder "gehammt" und muss sich durch das Hemmgeld auslösen. Kinder halten dabei ein Band über die Straße und hemmen so das Fortkommen des Hochzeitszuges. Kleine Münzen sind der Lohn für die Kinder.
Um Unglück abzuwenden, durften Ehen nicht beim abnehmenden Mond, im Zeichen des Krebse (der geht rückwärts), an keinem 13. und niemals Freitag geschlossen werden.
Das Brautpaar durfte sich in der Kirche und auf dem Weg zur Kirche nicht umdrehen, dann sie drehten sich dann nach einem anderen Ehepartner um und ein Teil des Brautpaares muss sterben.
Auf der Hochzeitsfeier muss ein Glas oder einen Tasse kaputt gehen - Scherben bringen Glück.
An dem den Hochzeitstage folgenden Tagen werden Freunde und Bekannte die dem Brautpaar ein Geschenk geschickt haben, in die Spinnstube eingeladen.
Jedem Laubgenossen (Mitglied der Holzgemeinschaft) war bei seiner Verheiratung ein s.g. Kuchenbaum zu verabfolgen. Er war gedacht, dem Mangel an Brennmaterial für die Hochzeitsvorbereitung und dem Hochzeitsfest selber, vorzubeugen. Ein weiterer Brauch der Laubgenossenschaft bestand darin, zur Ausschmückung des Dorfes zwei Birken zu liefern.
Sonstige wichtige Ratschläge
Schluckauf bedeutet, das ein Anderer an einen denkt.
Summen oder klingen im Ohr, bedeutet, dass jemand über ihn spricht. Klingeln im rechten Ohr ist etwas gutes, Klingeln im linken Ohr etwas Schlechtes.
Wer nießt, erfährt etwas neues.
Hat jemand etwas erzählt und es nießt jemand, so heißt es "er benießt es" und es ist eine Bekräftigung.
Juckt die rechte innere Handfläche so bekommt man Geld, ist es die linke so gibt man es aus.
Silvester wird Blei gegossen, darin kann man die Zukunft sehen.
Auch geht das Mädchen Silvester an den Hühnerstall und klopft an die Tür. "Gackert der Hahn bekommst einen Mann, gackert die Henn bekommt`s kenn".
Am Gründonnerstag muss es unbedingt etwas Grünes zum Essen geben.
Am Ostersonntag geschöpftes Wasser soll stärken und erfrischen und nicht altern lassen, auf die Saat geschüttet, tut es auch dieser gut.
Getreide muss vor Sonnenaufgang gesät werden, dabei darf kein Wort geredet werden, dann beißt die Maus keinen Faden ab.
Auf der Türschwelle der Stubentür findet man ein Hufeisen welches dem Haus Glück bringt.
Ein Hufeisen über dem Eingang zum Stall soll das Vieh vor Krankheit schützen.
Wenn dreizehn Personen zu Tische sitzen, so muss jemand von denen bald sterben.
Wenn jemand beim Sitzen am Tisch ein Tischbein vor sich hat , bekommt er einen böse Schwiegermutter
Wer Salz auf dem Tisch umwirft wird im Laufe des Jahres ausgezank.
Ein Strohhalm in der Stube bedeutet Besuch.
Wenn ein Messer vom Tisch zum Boden fällt und stecken bleibt bekommt man Besuch.
Man darf einem Gast nicht zugießen wenn Tasse oder Glas noch nicht leer sind sonst muss er noch 7 Jahre warten bis zur Hochzeit.
Wo eine Schwalbe ihr Nest baut, schlägt der Blitz nicht ein.
Beim Anblick der ersten Schwalbe im Frühjahr soll man sich kullern, so wird man nicht krank.
Fliegen im Winter im Haus wurden nicht getötet, denn es waren die Geldfliegen.
Ein Kauz im Haus wurde getötet, weil er ein Unglückstier war und dem Kranken zurief "komm mit".
Die Flügel einen Eule nagelte man an das Scheunentor damit die Scheune vor Blitzschlag geschützt blieb.
Wenn die Katze sich putzt kommt Besuch.
Wenn der Hund heult bedeutet das nichts gutes. Heult er mit hoher Stimme bricht ein Feuer aus, mit tiefer Stimmlage stirbt jemand. Heult er beim Glockenläuten stirbt ebenfalls jemand.
Wenn ein Hase über den Weg läuft hat man den ganzen Tag kein Glück, man muss deshalb umkehren.
Wenn man den Kuckuck im Wald rufen hört muss man die Rufe zählen, denn so viele Jahre wird man alt.
Wenn man den Kuckuck das erste mal im Jahr rufen hört muss man mit dem Kleingeld in de Tasche klimpern, dann geht das Geld nicht aus.
Bei Sternschnuppefall soll man sich etwas wünschen.
Wo der Regenbogen aufhört liegt ein Topf voll Gold.
Kinder müssen beim Sonnenuntergang daheim sein sonst holt sie der Mummeratz.
Weizen in der des Dorfes muss man vor Sonnenaufgang bestellen, sonst fressen ihn die Sperlinge.
Erbsen muss man bei abnehmenden Monde am Mittwoch oder Sonnabend bestellen, sonst kochen sie nicht weich.
Wenn während des Glockenläutens die Turmuhr schlägt, so stirbt jemand.
Sieht man im Traum flammendes Feuer, so hat man Glück zu erwarten, bei rauchenden Feuer Unglück
Wenn man träumt, man wäre ins Wasser gefallen, so bedeutet es Trauer.
Wurde in einen Viehstall eines Bekannten eingetreten so durfte das gute Aussehen des Viehs nicht allzu sehr gelobt werden oder besser es wurde beim überschreiten der Schwelle ein unüberhörbares "Unverrufen" gesagt. Hiermit wollte man Schäden vom Vieh abhalten.
Ein in der Johannisnacht (24.06.) gepflückter Strauß von verschiedene Feldblumen im Haus aufgehangen, schützt den Hof vor Unglück.
Die zwölf Nächte - die Unternächte
Diese fallen in die Zeit vom 25. Dezember bis 6. Januar. Man soll in diesen Tagen keine Wäsche waschen und besonders keine Leinen anbringen sonst erhängt sich ein Verwandter innerhalb des nächsten Jahres. Das Weihnachtsgebäck darf in dieser Zeit nicht anbrennen, es bringt Unglück. Man soll keine Hülsenfrüchte essen, dies bringt Krankheit.