Der Anbau von Waid

Der Waid ist eine mehrjährige Pflanze. Im zweiten Jahr treibt er einen bis zu einem Meter hohen Stengel. Die Blüte ist eine Doltentraube mit gelben Blüten und blüht von Mai bis Juni. Die Samenfrüchte sind Schoten. Der Waid kommt heute hier in der gegend um Mülverstedt nur noch wildwachsen und mittlerweile recht selten vor. Der Waid wurde hauptsächlich als Winterfrucht bestellt. Mit einen Furchenzieher zog man Rinnen ähnlich wie beim Gurkenbestellen. In diese Rinnen wurde der Samen ausgelegt. Und mit Erde abgedeckt. Im Frühjahr Trieb die Pflanze eine Blattrosette, die sich über dem Erdboden ausbreitete. Die Blätter sehen den Rübenblättern ähnlich, sind jedoch etwas schmaler. Die Blätter enthielten den begehrten Farbstoff.


Der Waid musste gehackt und das Unkraut gejätete werden. Die Ernte der Blätter begann im Juni. Eine zweite und dritte Ernte folgte jeweils im Abstand von 7 Wochen. Die Waidblätter wurden mit einem Waidmesser so abgestoßen, dass der Wurzelstock nicht beschädigt wurde.

 

Färberwaid im ersten und zweiten Anbaujahr

 

Färberwaid im ersten und zweiten Anbaujahr

Foto: F Dittrich Arnstadt

 

Die Blätter wurden in Körben eingesammelt, zum Bach getragen und gewaschen. Auf dem Waidanger oder einer anderen Grasfläche zum Trocknen ausgelegt. Die weitere Bearbeitung erfolgte in einer Waidmühle. Diese bestand hauptsächlich aus einem Waidmühlenstein. Durch die Mitte des großen Mühlsteines ging ein Balken, der zentral an einem drehbaren Balken befestigt war. Der Boden war mit Steinen glatt gepflastert. Zum Antrieb wurden Pferde an dem, über den Waidstein hinausragenden Teil des Querbalkens angespannt und zogen den Waidstein im Kreis. Der Waidstein war am Rand wie ein Zahnrad eingekerbt und verlief in einer Rinne. In die Rinne wurden die Waidblätter geschüttet und durch den Waidstein zermalmt.

 

Eine typische thüringer Waidmühle im Hintergrund die Ballen auf den Horden. 

Eine typische thüringer Waidmühle im Hintergrund die Ballen auf den Horden.

 

Aus der zerriebenen Masse wurden Ballen geformt und auf so genannten Horden getrocknet. Damit war die eigentliche Arbeit des Waidbauern beendet.
Der Bauer durfte die Waidfarbe nicht herstellen. Diese Arbeit war der Waidgilde in Langensalza vorbehalten, die für Mülverstedt den begehrten Farbstoff herstellen. Der Bauer musste nur noch die Waidballen in die Stadt bringen, wo sie ihnen von den Waidhändlern gegen gute Bezahlung abgekauft wurden. Die Waidgilden kauften das Rohmaterial von den Waidhändlern und verarbeitet den Rohstoff weiter. Die Ballen wurden auf den Waidboden ausgeschüttet, mit einem Hammer zerschlagen, mit Wasser angefeuchtet und mit Harken bearbeitet. Der Rohwaid geriet in Gährung. Nach dem Gährprozess wurde die Masse getrocknet und nochmals zerschlagen und gesiebt. So blieb der Waid noch ein Jahr liegen und wurde dann verkübelt. D.h. in Fässer gestampft und in die großen Handelsstädte wie Frankfurt, Leipzig, Nürnberg oder Hamburg transportiert. Dies geschah meist mit dem Pferdefuhrwerk oder auf der Werra von Mihla aus. Waidfuhrleute wohnten in Grumbach, Langensalza, Merxleben und Nägelstedt. Der Waidbau brachte dem Waidbauern und Waidhändlern größere Einnahmen. Die Gemeinden hätten gern die Herstellung der Waidfarbe selber übernommen, erhielten aber von der Obrigkeit keine Erlaubnis wegen der großen Gewinne beim Verkauf des Farbstoffes.

 

In der Chronik der Stadt Langensalza von Carl Friedrich Göschel und Christian Friedrich Hentschel aus dem Jahr 1848 finden wir nachfolgenden Text:

In Thüringen gab es schon längst fünf große Waidhandelsstädte: Langensalza, Erfurt, Gotha, Tennstedt und Arnstadt, welche von 300 Dörfern mit dem rohen Waid-Material versorgt wurden. Aber Langensalza hob sich bald vor allen hervor, denn jetzt wurde daselbst im Jahre 1654 eine besondere Waidgilde errichtet, und mit dem Waidhandel bevorrechtet. Die Zahl ihrer Mitglieder war auf 40 Personen beschrankt. Die Fabrikation des Waids mußte durch verpflichtete Waidbereiter geschehen. Durch diese Einrichtung kam der Langensalzaer Waid bald in die größte Aufnahme: Waid und Grapp von Langensalza hatte vor den meisten Sorten den Vorzug und in ganz Deutschland stand der Langensalzaer Waid als der beste an der Spitze. Zu der besondern Güte soll auch unser Tufstein viel beitragen. Die Gilden-Einrichtung selbst hielt die Waare in beständigem Credit, und erst in der neuesten Zeit ist die hiesige Waidgilde von der Landesbehörde in Dresden aufgehoben worden', um durch Concurrenz das zu bezwecken, was man bisher durch das Monopol, und durch Aufsicht nicht bloß bezweckt, sondern auch erlangt hatte. Seit Errichtung der Waidgilde bis zu deren Auflösung mußte» alle Langensalzaer Waidfasse mit dtM Stadtwappen gestempelt werden. Das Langensalzaer Stadtwappen war die beste Empfehlung zum Kaufe. Der Absatz geschah theils nach Frankfurt und Nürnberg, theils nach Amsterdam, Bremen, Hamburg, theils nach Leipzig, Schlesien, Böhmen, Oesterreich.

 

Als 1498 der Seeweg nach Ostindien entdeckt wurde, führte man von dort den Indigo ein, der eine bessere Färbkraft besaß. Die Nachfrage nach Waid ging stetig zurück und der Preis sank. Im Jahr 1685 beklagten sich die hiesigen Waidbauern, dass sie nur noch 18 Pfennige für einen Schock erhielten. Früher wurden dafür 10-12 Groschen bezahlt. Als die Waidgilden nur noch einen kleinen Teil des erzeugten Waides aufkauften, bestimmte die Regierung 1761, dass die Bauern ihren Waid selber angießen und verkübeln duften, wenn ihnen die Waidgilden bis zum 10 November des jeweiligen Jahres kein Kaufangebot zukommen ließen. Die Waidfässer mussten mit einer Pflugschar und dem jeweiligen Anfangsbuchstaben des Erzeugerdorfes gekennzeichnet werden. Anfang des 19. Jahrhunderts waren nur noch spärliche Reste des Waidbaus zu finden. Vereinzelt baute man noch etwas Waid für den Eigenbedarf an.


Nur noch Flurnamen erinnern an den Waidanbau. In Mülverstedt wird die Flur unterhalb des Dorfes am Bach rechts „Bei der Waidmühle" genannt. In einer alten Karte von Mülverstedt ist die Waidmühlgasse eingetragen. Das Grundstück befand sich in der Nähe des Langensalzaer Tores, auf dem Grundstück der heutigen Turnhalle. Leider sind auch keine Waidmühlsteine mehr zu finden. Diese wurden meist zerschlagen und als Baumaterial verwendet. Der Lehensherr der örtlichen Waidmühle war die Kirche. An diese, musste auf 20 Ballen, ein Ballen als Lehen abgeliefert werden. In der Langesalzaer Chronik wird 1575 die Kirche zu Mülverstedt als Besitzer einer Waidmühle erwähnt. Große Ackerflächen wurden zur damaligen Zeit in der hiesigen Gegend bestellt, denn der Waid wuchs gut auf den kalkhaltigen Böden. Der Waid wurde bereits in den Kapitularen Karls des Großen erwähnt, einige Dörfer hatten ihn als Naturalabgabe an den kaiserlichen Haushalt abzuliefern, wo er zwecks Färbung der Kleiderstoffe Verwendung fand.